Bröckelnde
Provinz … alles nur Fassade? (Herbert Beesten 2018)
Ich will Ruhe, Abstand, dahin, wo es still ist, und schön … schön
…?
Sagen wir, irgendwie besonders, und günstig, nicht so weit, und …
trotzdem in einer anderen Welt, um diese zu erforschen … solange du
nicht selbst gebürtig aus diesem Ort kommst.
Oder doch dahin, wo es professionell schön ist, für alle, viel los
ist, viel Schönes, zu viel, und die, die das da so schön machen und
erhalten sind freundlich, irgendwie p r o f e s s i o n e l l
freundlich?
Wenn „die" aber unter sich sind, sprechen sie über mich,
über uns als Besucher, Tourist, Gast, hinter unserem Rücken. Über
alle die da kommen machen sie ihre Witze:
… was „die" - also wir - alles fotografieren, … und dass
sie uns bedienen müssen, … dabei nett sein sollen, … und dann: „könnten
Sie mal ein Foto von uns machen, wie wir hier sitzen, aber bitte so,
dass auch die Burg im Hintergrund zu sehen ist …", pah, selbst zu
faul für Selfies, man hat ja uns als Helfies – sagen sie dann über
uns … sollen die doch selbst ihre Fotos machen, oder sich
Ansichtskarten kaufen, oder in diese Fotoausstellung gehen.
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Dann vielleicht doch lieber die Provinz? … vielleicht …
Staßfurt? … Staßfurt an der Ehle … oder ist es die Bode?
Unauffälliges, heimliches eintauchen, … und doch angesprochen
werden, auf misstrauische Gegenbetrachtung stoßen, … wenn man Fotos
macht …
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„Hallo, gehen Sie doch in die Innenstadt, das Rondell an der
Stadtmauer, oder kaufen Sie doch dieses Buch, da sind schöne Fotos
drin, besuchen Sie doch den Markplatz – dahin ist auch dieser Laden
umgezogen.
„Ach so, hab ich gesehen, sie meinen den Laden da an der Ecke,
mit dieser lammfrommen Auslage?"
„Das ist unser Wappentier, das haben uns ‚die‘ da oben
aufgedrückt, wir wollten ein anderes, eins das mehr nach Arbeit aussah
- die es hier mal gab - aber die wollten lieber diesen Prediger mit dem
Lamm.
Warum diese Ecke hier, unsere Straße, warum die kaputte Mauer, den
ramponierten Briefkasten des Nachbarn? Wahrscheinlich machen Sie auch
noch Schwarz-Weiß-Fotos, damit es extra trist, alt und grau in grau
aussieht. Gehen Sie doch in die Innenstadt, die ist beliebter, belebter.
Da sind Menschen. Da ist es bunter"
„Farben sind hier auch, ich mache Farbfotos. Aber hier sind ja
kaum Menschen, nur Sie, der Hund … ist der lieb?"
„Hier sind auch Menschen, hinter den Gardinen, manchmal bewegen sie
sich".
„Die Menschen?"
„Die Gardinen. Dafür bekommt man erst einen Blick, wenn Sie
länger hier sind, aber das kann man nicht fotografieren, diese
Bewegungen, das versteht ihr eben nicht, ihr aus der Großstadt. Sie
kommen doch aus Magdeburg, oder? Hab ihr Nummernschild gesehen. Hier
kennt und kümmert man sich, manche nennen es zwar soziale Kontrolle,
aber wir interessieren uns eben dafür, wer hier durch unsere Straßen
läuft, … und fotografiert, … hab Sie ja auch gesehen, … der Hund
hätte eigentlich noch nicht rausgemusst. Kennen Sie denn Ihre
Nachbarn?"
„Ich habe keine Gardinen"
„Das alte Stadtviertel nahm mich auf, erloschen und unwirklich
stand im Grau die kleine Kirche. Plötzlich fiel mir das Erlebnis vom
Abend wieder ein, mit der rätselhaften Spitzbogentür, mit der
rätselhaften Tafel darüber, mit den spöttisch tanzenden
Lichtbuchstaben. Wie hatten ihre Inschriften gelautet? „Eintritt nicht
für jedermann." Und „Nur für Verrückte." Prüfend blickte
ich zu der alten Mauer hinüber, heimlich wünschend, der Zauber möge
wieder beginnen …" (2)
Warten, anhalten, Momente zementieren
Und manches Mal ein, … ein von Moos übergossenes Lächeln
Kopflos die alte Skulptur – sprachlos erstarrt, Kaninchen vor der
Eisenstange.
Eisentüren müssen verschlossen sein, der Raum dahinter hält sich
bereit, für …. .
Verwaschene Graffitis, Grün, Beige,
Blau, Rost-Braun, Blass-Grün, schales-Grau,
(in gestelzte Aussprache eines Gourmet-Gerichtes)
„Dunkle Rostecken an Beton-Grau, mariniert in
Vergangenheitssprenkeln, serviert mit einem gehauchten Himmelblaublick
… „
Doch Menschen, Läuferinnen im Oval-Grün
bizarre Glaswunden
Stolze, ewig frische Klinker triumphieren über rauen-Schmuck-Beton
Das Schlaffe, gefüllt mit weicher blauer Luft,
Humpen-Goethe oder Goethe-Humpen?
Schreibkladden fordern das Vergangenheits-Gen.
Dahinter: Aufs Einpacken lauernde leere Plastik-Pack-Pakete
Pissecke, Abgesägte Rohrstummel
Zerschossene Zieltür: Wer rostet der rastet … nicht mehr aus
Ein Mensch, gebeugt, an der Leine, ein Hund, an der Straße mit dem
Langen Zaun,
Asphaltpflaster über kantige Kopfsteinpflaster-Schwachstellen von
früher
Monster Leckeis lauert im Dunkel - Alltags-Ready-Made - Kunst?
Adler mit Scheuklappenschwingen - unpreußisch
Schmuddel-Neo-Klassizismus-Patina …
Türglasersatz aus Pappe reizt zum Eintreten, … da wohnt doch
keiner mehr!
Die „Broken Windows" Theorie … „Zero Tolerance Policy",
… oder war es Schizophrenie?
Hinter dem Zaun, ist vor dem Zaun, ist die richtige Stelle, an der
falschen Seite,
ich will hier raus, ich will hier rein, ich will hier weg, sagt der
Hund mit eingezogenem Revier-Schwanz
Zufluss, Absetzbecken, Sedimente, Abfluss, (dieser
Absatz im Takt mit rhythmischer Musik, schwingende Tanzschritte)
Absetz-becken Sedi-mente Abfluss, Zufluss,
Se-di-mente Ab-fluss, Zu-fluss, Ab-setz-becken,
Ab-fluss, Zu-fluss, Ab-setz-bek-ken, Se-di-men-te,
Absetzen, Durchfluss, Ablauf, Abwinken, Abhauen, Ausbrechen, Aus, Ab,
Aus, Zu, Zu, Aus, raus …
Plasteweißes Lamm auf grüner Fleecedecke,
(als kirchlicher Sing-Sang) „.. dass sich selbst als Opfer der
Sünde der Menschen hingegeben hat" (4)
Die Stadt mit dem Gold-Turm, auch nicht von Rembrandt, ist ein Kunze,
samt Passepartout aus zickzack-Betonlückenfüller
der alte Briefkasten wartet lauernd auf eine frohe Botschaft
mobiles Gold wartet auf den Schein, aus der Pfütze dampft das Eilige
Drei Ampelmännchen - dreierlei Epochen-Pause. Ein Rot, ein Grün,…
ein Grau vorbeigesendet
„Wo waren wir? Schlief ich? War ich zu Hause? Saß ich in einem
Auto und fuhr? Nein, ich saß im blau erleuchteten runden Raum, in einer
verdünnten Luft, in einer Schicht von sehr undicht gewordener
Wirklichkeit." (2)
- Provinz: Ein Ort mit einer Umgehungsstraße. Großartig (3)
- Wie klein muss eine Stadt sein, damit sie für sich „pro
winzig" reklamieren kann? (3)
- Bierfest auch 2019 (6)
- Landwirte fordern Hilfe vom Ministerium (6)
- Provinz ist nicht gleich Provinz und Provinz ist nicht gleich
provinziell. (3)
- die Arroganz der Metropole und die Schönheit der Provinz (3)
- Polsterhandwerk in Erinnerung halten (6)
- Couch im Feld kein Einzelfall (6)
- Ich hasse die Provinz, aber sie hat mich zu dem gemacht, was ich
bin. (3)
- Provinz: Immer der nächst kleinere Ort (3)
- In der Provinz, das wissen wir alle, da ist Kraft - und manchmal
auch Herrlichkeit. (3)
Provinz ist Anfang und Ende
(dieser Absatz im Takt mit rhythmischer Musik, wie oder mit
Tanzschritte)
Zufluss, Absetzbecken, Sedimente, Abfluss,
Zufuß, Abseits-Hecken, Ab-Hetz-Strecken, Seh die Meute,
Seh-die-hängen, Abschluss, Abschuss, G wie Geh Nuss
(immer langsamer werdend)
Absetzen, Durchfluss, Ablauf, Abwinken, Abhauen, Ausbrechen, Aus, Ab,
Aus, Zu, Zu, Aus, raus …
Zitate:
(2) Hermann Hesse, aus „Der Steppenwolf"
(3) diverse Zitate aus dem Internet zum Thema „Provinz"
(4) Zitat eines Textes in einem Ausstellungsbild Bild von Hans-Ulf
Kunze
6) Lokal-Onlineausgabe Staßfurt der „Volksstimme" August 2018
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VATER, Deiner (Herbert
Beesten – 2015)
Eine Performance
(Regieanweisungen kursiv und nicht fett)
(Ausgangssituation in einer Ecke des Raumes,
oder hinter einer Stellwand, einem Pfeiler oder einem Vorhang, wenn
nicht möglich, kann als Ausgangspunkt ein Stuhl oder Sessel dienen.
Beginn, Zwischenstopp und Ende dann mit dem Rücken zum Publikum.)
(Der erste Teil soll kräftig, meist laut und
dominierend vorgetragen werden, adressiert an jemanden, vor dem man
große Angst hatte, der einem aber jetzt nichts mehr anhaben kann. Zum
Ende hin steigern.)
(Im zweiten Teil ist ein Rollenwechsel, ein
Vater, der der Sohn aus dem ersten Teil ist, der so vieles anders machen
wollte als sein Vater. Anscheinend mit dem gleichen Ergebnis: Keine
Kommunikation mit dem Sohn! Deswegen hier ruhigerer Duktus, aber
zweifelnd, bittend, flehend, auch nach Erklärungen suchend. Um
Entschuldigung bitten?)
bobobobobobo obobababababababab
ababababababbobobobobobabababab
Ppapapapapapapapapapa
(unregelmäßige, kleine stockende Pausen,
manchmal Stottern, langsam zum Publikum wenden.Aanfangs klingt es wie
ein Hubschraubergeräusch, das sich dann langsam zu „Papa"
entwickelt.)
papapa papap papa pa pa papa papa papa papa
Papapapa pa pa
(rufend, nicht fragend, als würde der Sohn den
Vater „ihn" gerade entdeckt haben, ihn fordern)
Papa! Papa! (dann
ärgerlich, langgezogen) Paaaaapaaaaaaa
!
(Pause)
Papa?
(Pause, umschauen im Raum, umhergehen, in die
Ecken der Zimmerdecke schauen)
Papa, ….. Papa, ……… hörst du mich
Wo bist du? Papa?
Im Himmel ? Papa, Im Himmel?
(etwas ungläubig)
Papa im Himmel. (mit
einem etwas abfälligen Lachen)
Ja, ja, hast immer daran geglaubt, an den Himmel
Hörst du mich, Himmel, hörst duuuu mich?
Himmel (das
zweite „du" sehr eindringlich)
Schaust wieder auf mich runter?
Ich, ich, ja, ich musste immer hören,
hören!!!! Sonst fühlen! (nach
oben schauen und bei „fühlen" eine Hand abwehrend noch oben
heben, zusammenzucken)
Nur einmal, als ich dich bei deinem Vornamen
rief. Das hörtest du!
Ja, und da, da machtest du mir Angst
mit deinem Namen, in deinem Namen.
Das war dir zu eng, zu nah, zu persönlich, vor
allem vor den Nachbarn!
Das war dir zu eng, zu nah, zu persönlich, vor
allem vor den Nachbarn! (zweites
Mal gesteigert)
Papa, Papa, papapapapapapapappa. Papa hörst du
mich?
Deine Kette aus Angst - für mich.
Ich sollte es ….. besser haben …. es besser
haben (mit bissigem lautem Lachen)
Lass mich doch in Ruhe, mit deinen Zweifeln, …..
schafft er es auch???
Hörst du mich Papa, papap … Papa? (wieder
leiser)
Ich höre dich nicht … Warst doch sonst immer
so laut!
Mir zu viel aufgeladen, von deinen Wünschen,
deiner Angst.
Angst, vor den Bösen, dem Bösen, glaubst du
immer noch an das Böse, auch da oben, das Bööööössee! Das
Bööööööse! (steigern, jedes „Böse"
länger und kräftiger)
… gegen das du dich damals hier mit Steinen
eingemauert hast.
Meine Hand, blutet…
(zeige dem Zuschauern deine „blutende" Hand, eventuell die
blutende Hand/Arm einer Schaufensterpuppe) … spucktest du deine
ganze Angst genau auf diese Stelle. (spucke
auf deine Hand)
Und das sagtest du: „Ungeschicktes Fleisch,
das muss weg, weg", „Ungeschicktes Fleisch, das muss weg,
weg" (zweites
„ungeschicktes Fleisch" gesteigert und, wenn eine
Schaufensterpuppenhand zur Verfügung steht, die Hand Richtung Publikum
auf dem Boden entlang schleudern, dass sie zu Füßen der ersten
Zuschauerreihe landet)
Papapapapapapapapapapapapapapapababababababababababababab
(Laut, dann leiser werdend)
papapapapapapapapap papapapapapap
Papapapapapapapapappapapap
(dann wieder zum
Ausgangspunkt zurück, in eine Raumecke oder hinter einen Pfeiler, eine
Stellwand … erster Teil beendet)
(dann Stille … 5 bis 10 Sekunden … dann
zweiter Teil, insgesamt leiser, ab hier eher bittend, weinerlich, eher
ängstlich jemanden bittend ….)
Hallo,
Hallo, Hallo, …… Hallo ?
(lauter, trotzdem zurückhaltend bleiben.
Das Publikum muss sich anfangs anstrengen, umzu verstehen,, langsam
wieder aus der Deckung kommen)
Hallo, Hallo, …… Hallo ?
Ich höre dich nicht, ich höre dich nicht!!!!
(umschauen, suchend, unsicher)
Ich kann dich nicht hören,
Warum sagst du nichts
Meld‘ dich doch
Ich bin’s. Wo bist du? (hin
und her laufen, im Raum suched, auch mal ans Publikumwenden , dort
jemanden suchen)
Ich bin`s doch, dein Vater, dein Vater …
(Pause)
„Mein Papa", hast du nie gesagt, immer
meinen Vornamen.
Das war mir so wichtig,
ja, das sollte enger sein, nicht so nach oben,
mehr wie ein, …. ein ….. großer Bruder.
(das letzte langsam, als würde gerade die Erkenntnis kommen)
(die vorgehenden Sequenzen in verschiedene
Richtungen sprechen, als wäre deranwesend, der angesprochen werden
sollte)
Ja, aber den hattest du ja schon, (Feststellung)
hallo, duuuuuu. Hörst du mich?
Ich höre, ich höre dich nicht
Wäre Papa besser gewesen, wäre ein Papa besser
gewesen …? (als kräftige Frage,
Lautstärkesteigernd)
Papapapapapapapapapapapapapapa papapapapapa …
(leise)
Warum höre ich nichts von dir?
(fragen)
Brauchst doch keine Angst zu haben vor mir, doch
nicht vor mir!!! (lächeln, aber beim
Sprechen mit dem Kopf schütteln)
Ja, ich weiß, es tut mir leid.
Aber, aber, es ging nicht anders.
Ich konnte es nicht mehr aushalten. (verzweifelt)
Glaub mir doch …. Warum glaubst du mir nicht? (bitterlich
fragend))
Ja, den Glauben, den hab ich dir erst gar nicht
gegeben, (Feststellung!)
aber kein Himmel heißt auch keine Hölle,
keine Hölle
Hörst du?Keine Höööööölllleeee !! (
Laut werden!)
Ich hatte Angst. Du solltest keine Angst haben,
du solltest doch frei sein, keine Hölle. Hörst du? Keine Hölle
… nicht mein eigen Fleisch und Blut
…solltest es besser haben, (erkennendes
Kopfnicken) besser haben …
(nachdenklich)
(aufgeschreckt)
Hallo, bist du noch da? Geht es dir besser?
Wo bist du jetzt, ich höre dich nicht
babababababababaab (so
tun, als würde man etwas hören …)
lauter, ich höre dich nicht
babababab
warum? Ich höre dich nicht
Wo bist du, wo, wo, wo ??? (langsam
wieder zurück zum Ausgangspunkt,Raumecke, hinter Stellwand, Vorhang,
Säule …etc)
Komm doch, …. bevor ich …. tot gehe
papapapapapapap papapapapapap
dududu wawawawaw bbaba babababababa ababab aba
babobbobobobobob
(wieder in den Hubschraubersound wechseln, wenn
der Ausgangspunkt wieder erreicht worden ist, dort noch ca 5 .. 10
Sekunden anhalten)
Still warten, versteckt oder mit dem Rücken zum
Publikum, erst reagieren, wenn das Publikum reagiert. |
Sommerschlussspagat in Planegg (Herbert
Beesten 2016)
irgendwo geht der Sinn der Sonne
der Mond löst sich vom Kondensstreifen
zum ersten Mal in diesem Jahr würziges Herbstlaubbitter
irgendwo das Oktoberfest, schon im September
waschen, schneiden, föhnen, ohne Anmeldung
geschlossen, wie die Engelapotheke
die Volksbankfiliale öffnet automatisch
zu großer Schein
Printen im Supermarkt teilen das Jahr und den Hunderter
der Himmel ist aus, bis auf den Halbmond,
letztes Kinderdirndl im Schaufenster
rastlos dumpfe Flugzeuge
irgendwo da oben
teilen die Einsamkeit |
Szenen aus dem Kabinett der Künste
oder
Indische
Gedenkminute ans Cafe Central
Meine
Schnauze brennt mir, von den Gedenkminuten, an Karsten, ans Central, an
Claudia, und das ist nicht zweideutig!
Frisches
Abendbrötchen, Glaskonservenreste dekandierend, in Ermangelung einer
Gabel hake ich mit einer geschickten Drehung des Spiralkorkenzieher aus
dem einen Glas "Teufli - Pikant-rote Pfefferonen, gefüllt mit
Frischkäsezubereitung“, aus dem anderen Glas "Türkel -
getrocknete Tomaten in Pflanzenöl". Knapp über dem Glas
zuschnappend, die Ölreste manchmal runtertropfend, manchmal wieder hoch
spritzend, ab und zu im Bart tropfend und in den Mundwinkeln brennend.
Beim Abgang heiß brennend eine Spur zieht, aber grad nicht zu heiß.
Mit gezupften Körnerbrötchenstückchen den Pfeffer besänftigen und
das Öl auf- und wegnehmend.
Dazwischen
mit den Getränkerestbeständen gespült "Desperado - Bier,
aromatisiert, mit Tequila“. Mein erster Alko-Pop, zum Gedenken des in
Katmandu weilenden Karsten samt seiner Claudia.
Irgendwann
ist alles das erste Mal. Ein Cafe verkauft, mit Korkenzieher Antipasti
aus öligen Gläsern geangelt, die scharfe Spitze des Korkenziehers
dabei vorsichtig und mit Respekt abgelutscht, ohne mit der widerhakigen
Spitze ein Zungenkussduell einzugehen.
Zungenschlag,
fett, ölig, als Rutschbahn für die Peperonispitzen, die am Ende meines
Schlunds zwischen Dickzunge und Gaumen zermatscht, zerrieben, verdrückt
werden, nicht ohne eine Pfefferspur mucken zu lassen, wohl wissend, das
danach entweder das flüssig-leichte Desperado abperlt, oder der frische
Brötchengeschmack der Glitschbahn in die Speiseröhre folgen.
Und
eine Röhre habe ich, die ich, auch zum Gedenken an Kat, an Mann, an Du
röhren lassen will.
Also,
noch eine gute Zeit. Ich werde mit den Rest Schnaps- und Likörflaschen
noch manche gedenkliche Minute verbringen können. Mal sehen ob es
reicht, bis wir wieder hier gemeinsam denken.
Ich
lese schon mal "Ab morgen werd ich Künstler" von BB, Brigitte
Birnbaum - über die Situation, als Heinrich Zille nach 30 Jahren Arbeit
arbeitslos wird und dann seine Künstlerleben richtig begann – nun ja,
ich arbeite seit 29 Jahren regelmäßig – hab ich noch ein Jahr?
....
eine Momentaufnahme:
Hoffe, es geht euch
gut. |
Herbert Beesten Texpproben
aus:
Köppen &
Rilke 1919
… was wollt ihr hören …
?
„Der Krieg
brach wirklich aus – Gespräche und Begegnungen mit Edlef
Köppen". Herausgeber Albrecht Frank, Erschienen im Mitteldeutschen
Verlag Halle (Saale).
http://www.amazon.de/Der-Krieg-brach-wirklich-aus/dp/3954621908
Inhalt:
Prolog
Brief Kiepenheuer an
Kippenberg 28.04.1919 Potsdam
Brief Kippenberg an
Kiepenheuer 04.05.1919 Leipzig
Köppen träumt
05.05.1919 München
Brief Kiepenheuer an
Kippenberg 12.05.1919 Potsdam
Brief Kippenberg an
Kiepenheuer 17.05.1919 Leipzig
Plakat Dichterwettbewerb
20.05.1919 München
Tagebucheintragung Köppen
30.05.1919 München
Das Kabinett
06.06.1919 München
Brief Kippenberg an
Kiepenheuer 09.06.1919 Leipzig
Brief Rilke
an Köppen, Malte verköppt 10.06.1919 München
Gefälle
jetzt hier
Prolog
Anfang Juni
1919 treffen Edlef Köppen und Rainer Maria Rilke in München in einem
Dichterwettkampf aufeinander. Ein halbes Jahr nach Kriegsende. Umbruch.
Anfangswirren zur Weimarer Republik.
Ob die beiden, von Statur
ähnlichen, aber sonst so verschiedenen Männer, sich tatsächlich
getroffen haben, sei dahingestellt. Wenn es tatsächlich zu einem
Vergleich zwischen den beiden im öffentlichen Raum gekommen wäre,
würde dies mit Sicherheit in einer der vielen Rilke-Biographien und
-Chroniken zu lesen sein, zumindest als Randnotiz.
Köppen, 26 Jahre, gerade 4
Jahre Front hinter sich, nimmt das Studium in München wieder auf, das
er dort vor dem Krieg angefangen hatte. Gesundheitlich durch
Kriegsverletzungen angeschlagen, relativ mittellos, versucht er sein
Leben wieder zu ordnen. Im Krieg hat er schon erste Gedichte
veröffentlicht, nun steht er an der Schwelle zum Dichter,
Schriftsteller und Sprecher. Durch seinen Freund Hermann Kasack ist er
schon etwas in die literarische Szene eingeführt, aber bescheidene
Randfigur.
Rilke, 17 Jahre älter – er
absolvierte im Jahr 1916 nur ein halbes Jahr Militärdienst in einem
Archiv in Wien – war 1919, also zu der Zeit, in der meine Geschichte
spielt, schon bekannt und anerkannt, konnte vom Dichten leben. Er war
Autor des renommierten Insel-Verlages und immer wieder im Mittelpunkt
des literarischen Geschehens.
Meine Recherchen haben
ergeben, dass Köppen spätestens ab dem 6. Mai, dem Anfang des
Sommersemesters 1919, und Rilke bis zum 11. Juni 1919 in München war,
er dann in die Schweiz abreiste und nie wieder nach Deutschland
zurückkam.
Im Mittelpunkt steht ein
Dichterwettstreit, den ich wie einen ganz frühen Poetry-Slam gestalte,
mit Elementen des Theaters, eines surrealen Kabinetts. Auf der einen
Seite der berühmte Dichter mit seinem Cornet, damals schon ein
Bestseller. Auf der anderen Seite der Underdog Köppen mit den ersten
Fragmenten vom ‚Heeresbericht’ in den mageren Händen.
Mai/Juni 1919
war eine unruhige, gefährliche Zeit, besonders in München.
….
Köppen
träumt:
Er muss sich immatrikulieren,
betritt ein großes Gebäude über eine breite Treppe, Säulenhalle,
wieder Treppen, schmiedeeiserne kalte Geländer, wieder Aufgänge,
Schritte hallen, lange Flure.
Er sucht eine
Tür, tritt ein, steht in einer Schreibstube, an der Kopfseite eines
engen, endlos langen Raumes, eine lange Reihe von Schreibtischen
nacheinander, soweit er sehen kann. Hinter jedem Schreibtisch ein steif
sitzender Mann, korrekt gekleidet, die Hände schweben über den Tasten
von klotzigen schwarzen Schreibmaschinen, die Finger starr, leicht
gespreizt, ein Blatt ist eingespannt, zum Beschreiben bereit. Aber sie
schreiben nicht, diese Hände, diese Männer, halten inne, alle, starren
ihn, Köppen, an. Stumm.
Knapp schräg
hinter diesen Schreibbereiten, an jedem der Tische, kleine geduckte
Männer, nicht so förmlich gekleidet, halten ein weißes,
unbeschriebenes Blatt bereit. Hinter diesen Männern, noch weitere,
kleinere, die auch jeweils ein weißes Blatt in der Hand halten. Am
ersten Schreibtisch erkennt Köppen, dass da noch mehrere kleinere
Männer stehen, die kleinsten, das sieht er jetzt genau, sind Kinder,
kleinwüchsige Jungen mit zu großem Kopf, einem Baby-Kopf. Diese
Menschen-Ketten, alle wie eingefroren, all ihre Blicke gebannt auf
Köppen.
Er steht in einer langen
Reihe an, junge Männer vor ihm werden von einem großen dicken Mann
hinter einem Katheder laut und frech abgefertigt. Köppen kann nicht
verstehen, worum es geht. Um Immatrikulation geht es doch nicht? Ist er
falsch? Er wird noch lange warten müssen. Plötzlich kippen die Männer
in der Reihe vor ihm einfach um, bums, einfach so um, nach rechts,
kriechen zurück zu der Tür, durch die Köppen den Raum betreten hat,
an ihm vorbei.
Er wendet sich auch zurück,
ruft ihnen nach: „Was ist, seid ihr schon fertig?"
„Ex", raunt jemand von
den Kriechenden ihn an, „Ex!", dann mehr singend, langgezogen,
die anderen mit wie im Chor: „Eeehhex"!
Köppen versteht nicht,
fragt, flüstert „Ex? Ex? Was ist Ex?" Die Kriechenden antworten
irgendetwas, er hört Worte, weiß aber nicht, was sie bedeuten.
Lateinisch oder Bairisch? Köppen muss lachen, laut lachen. Ist er im
Himmel? Die Kriechenden lachen mit, alle, laut, alle, kriechen weiter,
freuen sich, verlassen den Raum.
…..
Das
Kabinett
München-Haidhausen,
Elektrizitätswerk an der Zellstraße, rechts der Isar, Nähe Müller’sches
Volksbad.
6. Juni 1919, halb 9 Uhr
abends.
Eine Werkstatt, gut zwölf
mal fünfundzwanzig Meter, fast eine Halle. Öl-, Metallgeruch in der
Luft, Gedränge.
An der einen Seite zur Isar
hin große Fenster, wirken durch die Bögen fast sakral, wäre das Glas
nicht schmutzig-blind, der grobe Rahmen. Elektrisches Licht strömt
grell aus den Metalldampflampen von der Decke. Zu wenig Licht von
außen, das auch noch von der schattig-grauen Patina der ehemals weißen
Wände und dem Asphaltboden geschluckt wird.
An der Kopfseite des Raumes,
vorne, gegenüber den verschmierten, abgegriffenen großen Flügeltüren
des Eingangs, ein grobes Holz-Podest, halber Meter hoch, fünf Meter
breit, drei tief. Etwas davor, seitlich, jeweils zwei Bauscheinwerfer
auf Stativen, strahlen Richtung Podest.
Reihen von
Biertischbänken, jeweils 3 nebeneinander, in der Raummitte, von vorne
vom Podest bis hinten knapp vor die Flügeltür, eng hintereinander
zehn, fünfzehn Reihen. Alles besetzt. Bunt. Menschen wimmeln, reden
laut, lachen. Entlang der rechten Seite der Werkstatt, von dem Podest
aus gesehen, da wo keine Fenster sind: Drehmaschinen, Metallhobel, eine
Ständerbohrmaschine, Eisensäge, alle matt-schwarz, über breite
Lederriemen an die Transmissionswelle, die in drei, vier Metern Höhe
entlang der Wand verläuft, gebunden. Über das alles hinweg, auf zwei
rechts und links knapp unter der Decke verlaufenden Schienen, ein
Brückenkran, der alles erreichen könnte, jetzt aber seinen Haken
ängstlich eng an sich gezogen hat. Hinten rechts, in der Ecke ein
Schmiedefeuer, kalt.
Leute sitzen
auch auf den zur Fensterseite gerückten Werkbänken, die sonst in der
Mitte stehen - wie auf Logenplätzen. Dahinter sitzen, noch höher,
junge Leute, zusammengedrückt auf den drei breiten Fensterbänken,
Schulter an Schulter, Beine baumeln herunter, wie Balkone im Theater,
nur dass man die Schuhe sieht, alles nicht so fein, dreckiger, eben wie
in einer Werkstatt, nicht feierlich, alles solide, fest.
Das gefällt Köppen, diese
Enge, der Geruch aus Öl, Farbe, saurem Schweiß, nach schalem Bier,
nach kaltem Kohlenfeuer, als sie zu dritt aus der Meisterbude zwischen
zwei Drehmaschinen heraustreten, in die große Werkstatt, Richtung
Holz-Podest, das für einen Abend Bühne sein darf.
Die Deckenlampen werden von
hinten, entlang ihrem Gang nach vorne, ausgeschaltet. So dämmert die
Größe des Raumes, verliert sich, aber das leere Podium findet sich
noch, bleibt im Licht. Gespräche, Lachen, Bierleutseligkeit verebben
langsam …
…..
Hinten aus
der Werkhalle, von den letzten Fensterbänken wird „Lauter, lauter,
mir hörn nix!" gerufen. Zustimmende Unruhe im Saal. Köppen, etwas
verunsichert, überlegt, ob er noch einmal den Anfang wiederholen soll,
baut sich auf, hebt das Kinn, wird lauter, wacher, setzt fort:
„Wir Wilhelm, von Gottes
Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen usw. verordnen auf Grund
des Artikels 68 der Verfassung des Deutschen Reiches wie folgt: Das
Reichsgebiet, ausschließlich der Königlich bayrischen Gebietsteile,
wird hierdurch in Kriegszustand erklärt, Potsdam 31.7.1914"
Köppen stoppt hier, schaut
auf, scharf durch seine Brille gegen die Baustrahler, den knabenhaften
Kopf etwas schräg, wachgewordene Augen gehen ins Publikum. Dann wirft
er Worte, wie abgepackte Brocken, im Befehlston, der sich steigert, in
den Raum. Das kann er. Wofür war er denn Offizier?
„Schlamassel,
Karre aus der Scheiße holen.
Essen fassen, Eiserne
Reserve.
Artilleriefritze,
Panzerfernrohr, Scherenmarsch.
Der Feind trommelt!
Offizierskasino, Biwakhatz.
Sperrwalze: Feuer! Feuer!!
Feuer!!!
Lafettenretten, Protzen,
Latrinengerüchte.
Mann, hau
dich hin, Mann!
Der Feind
trommelt!"
Köppen, stoppt still, Pause,
enger als Rilkes.
Das saß! Erschrockene Ruhe
haut ein Loch in den Raum, das sich erst langsam von hinten von den
Fensterbänken, über die Werkbänke mit Flüstern füllt. Die Damen in
der ersten Reihe irritiert. Köppen gibt mit seinem linken Arm einen
Wink und damit Rilke das Signal, dass er ihm jetzt das Feld überlässt.
Der sucht in seinen
Unterlagen, blättert vor. Um seinen fremden Lippenbart ist so etwas wie
ein Kauen, er blättert zurück, er spitzt den Mund, als wenn er etwas
schmecke, dann greift er mit spitzen Finger – seine Augenbrauen ziehen
sich kurz hoch – zwei Blätter wie plötzlich wiederentdeckte, lang
vermisste getrocknete Blätter eines exotischen Baumes. Er räuspert
sich in die andere Hand, hält ein Blatt erhoben in seiner rechten Hand
so vor sein Gesicht, dass einige der Zuschauer ihre Stellung wechseln
müssen, um Rilkes Gesicht noch sehen zu können, hören ihn, ruhig,
fast lächelnd, sprechen:
„So reitet man in den Abend
hinein, in irgend einen Abend. Man schweigt wieder, aber man hat die
lichten Worte mit. Da hebt der Marquise den Helm ab. Seine dunklen Haare
sind weich und, wie er das Haupt senkt, dehnen sie sich frauenhaft auf
seinem Nacken. Jetzt erkennt auch von Langenau: Fern ragt etwas in den
Glanz hinein, etwas Schlankes, Dunkles. Eine einsame Säule, halb
verfallen. Und wie sie lange vorüber sind, später, fällt ihm ein,
dass das eine Madonna war."
Rilke nimmt schnell das
zweite Blatt, nun die Stimme lauter, er wippt etwas nach vorn auf die
Fußspitzen, wird größer, ernster:
„Sie reiten über einen
erschlagenen Bauer. Er hat die Augen weit offen und etwas spiegelt sich
darin; kein Himmel. Später heulen Hunde. Es kommt also ein Dorf,
endlich. Und über den Hütten steigt steinern ein Schloss. Breit hält
sich ihnen die Brücke hin. Groß wird das Tor. Hochwillkommen das Horn.
Horch: Poltern, Klirren und Hundegebell! Wiehern im Hof, Hufschlag und
Ruf."
Zuletzt war es auch wie ein
Ruf von Rilke, über die Köpfe der Zuhörer hinweg, in dieses
Werkstattloch hinein. Nur eine kleine ruckhafte Kopfdrehung vom ihm zur
Mitte der Bühne hin fordert Köppen zum Weitermachen auf, der mit
Metall in der Stimme returniert:
….
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Post
ach ja,
als ich gestern Nacht
zurückkam
war da ein Brief
von dir
brach das Siegel
zeigte Säulen
Sarkophage
ein Lachen
von dir
fühlte Lachen
nahm Lächeln
mit ins Bett
den Gruß
von dir
legte heute
morgen
auf den Schreibtisch
bedacht den Brief
so empfange ihn
gleich wieder
von dir |
Ich
war zum Jahreswechsel in der Türkei zum Urlaub:
Schlechtes, kaltes Wetter, ein Sch ... -Hotel, unruhige Mitgäste.
Als Schreiber wollte ich eigentlich auch Urlaub machen und nichts
schreiben, aber zu meinen grauenhaften Silvester-Neujahrsgefühlen
musste ich doch wenigsten einen einzigen Satz los werden:
„EinSatz in der Türkei“
Ich muss niesen,
wahrscheinlich eine allergische Reaktion auf den Klebstoff, den ich mit
dem Wasserdampf beim Ablösen des Flaschenetiketts vom
transsilvanisch-rumänischen Champagner, einatme;
der von dem jetzt
endlich, leider nicht in Sonnenkollektoren durch die
türkische Sonne erhitzten, heißen Wasser mir über dem
Hotelbadezimmerwaschbeckenrand am Neujahrsmorgen in die Nase zieht, so
dass ich so richtig abniesen muss
und
mir meine Muse daraufhin Entzündungstropfen, ein angeblich
cosmo-homöopathisches Arzneimittel aus Baden-Baden, laut bis Fünfzehn
abzählend einträufelt, als Demutstropfen,
weil
ich drakula-klischeehaft die Champagner-Spende gestern Abend von
Valentin und Simona mit unserer unfreiwilligen Blutspende als
Gegenleistung
- wenn auch nur
insgeheim - in Verbindung gebracht habe;
denn
von einem Kommunikationsspezialisten, wie es Valentin eben ist und erst
recht von einer Poetin wie
Simona – vielleicht wird sie ja mal die Simone
de Beauvoir Rumäniens – hätte ich nichts Schlimmes denken sollen,
sind
die beiden doch ein Abbild unserer selbst, in dem wir beide, meine
kommunizierende Muse und ich als okzidentischer Poet, uns widerspiegeln;
zwar
spiegelverkehrt, aber zu diesem Zeitpunkt waren wir keine Vampire, denn
wir spiegelten uns ja – noch – was auch eine Zeit lang später so
war, denn meine Schmuse und ich haben uns noch in der Silvesternacht am
Sternenhimmel über der türkischen Ägäis - oder genauer gesagt über
der griechischen Insel Samos, aber von der türkischen Seite aus gesehen
- als Mond und Venus widergespiegelt;
es
sei denn, ----
im trans-rumänischen Champagner wären Extra-Spiegelungstropfen
in hoher Potenz gewesen, die angehende Vampire - die meine Muse und ich
vielleicht doch schon sind – möglicherweise -
wenn auch nur für eine gewisse Zeit – doch spiegeln ließe;
wir uns so in
Sicherheit wägen sollten, bis sie sich noch ein paar Mal labend an uns
festsaugen,
denn
zu gerne hätte ich gestern Abend - nur um sicher zu sein - oder auch
heute Morgen beim Frühstück ihre Hälse gesehen, wegen der Bissmale;
doch
ich musste ja satt dessen wie zwanghaft gestern Abend immer wieder auf
Simonas runden, üppigen - aber nicht zu üppigen - Busen starren,
musste mir vorstellen, wie er wohl in „Natur“ aussieht, denn die
Brüste waren im Ansatz gut zu sehen,
was aber
vielleicht nur ein Trick war um mich abzulenken, denn ihre Hälse, die,
die waren seltsamerweise immer geschickt verdeckt;
denn
wenn dort Bissmale gewesen wären,
es keine
absichtslose Sektspende,
doch
transsilvanisch-homöopathische Vampirtropfen gewesen wären,
ja
dann habe ich als Beweis das Flaschen-eti-kett, -
schön platt gedrückt und in meine Schreibkladde eingeklebt -
aufbewahrt, damit sich unsere Nachwelt einen Reim darauf machen kann,
falls
später erzählt werden sollte, dass ich des nachts in unserem Hotel als
Herbert die Rumänen polanskihaft durch die Flure gejagt hätte - samt
allen Bulgaren,
denn dann, dann
wäre mein schrecklicher Verdacht doch nicht unbegründet
gewesen,
tröste
mich aber zugleich mit der Vorstellung, wie meine Schmuleika in einem
weißen – nein - in einem schneeweißen Marmor-Sarkophag entspannt in
sich ruht, sie den mit Medusaköpfen reich verzierten Deckel lüstern
zur Seite schiebt, mir lockend zuwinkt,
ich
flatterhaft zu ihr fliege, wir Ra-trunken uns gegenseitig Ki-saugen, bis
wir in der Morgendämmerung uns unsere Horrorskopträume gegenseitig
auflösen.
Herbert
Beesten, Silvester/Neujahr 2008/2009 in Kusadasi/Türkei
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Trialog-Hälfte
Hi Giordano,
die
letzen Wochen, voll von Abwechslung, Spiralen: Im Kreise drehen, weiter,
weiter, weiter sehen,
mich erheben, umschauen, ja nicht wieder an den gleichen Stellen
ankommen, zurück trachten, drehen.
Mit
Sicherheit unsicher werden; mehr Leben zulassen, damit Leiden bringen,
Freude empfangen, Traurigkeit schüren.
Deute
den Raum, den ich fülle, meine hohle Innenschicht - diese dichte
auspolsternde Hülle - mir das Leben filtert - um mich vor dem Außen zu
schützen, mein Nach-Außen maskiert, als Überfratze des Andersseins
wünschen – nein - mein harmonisches Liebsein wollen.
Sitze
in Unterhose und T-Shirt im
Korbsessel. Höre Rosen, stolz die Beine auf der Arbeitsplatte der
Ein-Raum-Appartement-Küche. Steche mit der rechten äußersten
Gabelzacke diese Gernleben-wollen-Worte per Touch Panel in den PDA.
Nach
hart gekochten Eiern mit Salz, Bautzener-Glas-Senf und
Tuben-Oro-Tomatenmark auf Abendbrötchen, lösche ich das Völlegefühl
mit meinen "Ich-will-leben-Cocktail" ab.
Die
Zutaten schreien, gieren, bieten sich obszön an: künstlich-grüner,
warmer, Pfefferminzlikör, wärmebehandelte, aber jetzt kalte
10-prozentige Kondensmilch, kohlensäurende Apfelschorle, ein Schuss
Maracuja-Sirup mit verklebten Drehverschluss und mit warmer
halb-transparenter Abend-Orange-Sonne, dann weiß-schleimigen,
fädenziehender Mandelsirup mit einem Spritzer satt-dunkelsüßen Casis.
Auch
durch das harte schnelle Schütteln kann ich nicht verhindern, dass die
im Dämmerlicht schmutzig-graulich wirkende Flüssigkeit ausflockt,
sämig gerinnt. Die aufgewühlte Kohlensäure dem Cocktail-Shaker
zischend dünnenflüssigen Sabber herauspresst:
Schmeckt!
Weil es mir egal ist.
Die
zwei auf dem Rand der matten Edelstahlspüle liegenden, prallen,
gepellten, noch glänzenden Eier wirken unter dem schräg einfallenden
Licht der Dunstabzugshaube wie ein abnehmender Zwillingsmond.
Hier
bin ich! Herr in meinem Kosmos.
Sorry
Giordana, mir fällt gerade ein, du bist ja Gourmet und Weinkenner.
Keine
Angst! Es geht mir gut, fantasiere nur eine Spur, von mir zu dir.
Lass
uns demnächst mal wieder treffen,
unser
Reden über leckeres Essen hören,
schön
Schmeckendes sehnlich trinken.
Die
andere Trialoghälfte:
Und
du mein Schatz!
Stell
mir grad vor:
Wir
wären die beiden, im grünen Pfefferminzlikör eingelegten, hart
gekochten Eier:
Schmiegen
uns leicht, zart schwebend übereinander,
oben smarakt grün schimmernd, unten noch unschuldig weiß, aber schon
ahnend, dass wir interessant schmecken:
Den
kühlen Pfefferminzgeschmack, der in unseren Geschmacksknospen scharf
eindringt,
schmecken,
wie keiner schmeckt,
wir
schlucken, wie keiner schluckt,
keiner
außer uns so den zweifelnden Widerhall der Geschmackshäute vernimmt,
wie
wir beim genüsslich essen. Gänsehautfühlen, Gänsehautsehen,
unseren
Du-Geschmack empfangen.
Wir
schauern beim Steigen in die kalten Fluten,
doch
schon bald das Hinab des Wasserstromes genießen.
Du
verstehst mich nicht?
Macht
nichts! Bin heute Nacht etwas sentimental.
Träume
mich zu dem in mir eingebrannten Bild.
Sehe
dich, die Bettdecke wie einen Kragen und Schutzschild, auf der Seite
liegend, entspannte Duckstellung mit eingezogenem Kopf.
Du,
meine Traumblicke kommwollend empfängst.
Ich
glaub, ich sehne mich nach dir! |
allein
die späte stunde fragt nach dem sinn
lässt meine gedanken schweifen
meine stimmung
wie das schwarz über dem fluss
meine gefühle halten sich fest an worte
in denen ich vermutet halt suche
so gebäre ich sätze
als brücke für meine hoffnung
über die ich mich später begebe
allein
mit dir zusammen
mit euch zusammen
nicht mehr
allein
|
Junge
Liebe
Wenn ich einsam bin - meine Augen zu mache.
Wenn ich träume - mich nach dir sehne
Wenn ich traurig bin - alleine
Dann bist du da.
Wenn auch nur in meinem Kopf.
Wenn auch nur in meinem Bauch.
Ich sehe dich, wie du auch die Augen zu machst
und wir uns in diesem Dunkel treffen
Sehe dich, Musik träumend.
Fühlst Du meinen Traum?
Ich weiß nicht, was Traum, was wirklich ist,
für mich
Was richtig für mich, was
wichtig für uns.
Träume mich hoch zum Mond
der deine großem Augen, dein Lachen auf mich zurückwirft.
Das Mondlicht, mich bei den Gedanken an dich
als zarter, wohlig-schöner
Schmerz erreicht.
Schmerz ohne Krankheit
Liebe ohne Leben
Leben mit Schmerz
Schmerzen, die krank machen
Ich polstere meine Herzhöhle für dich
Damit du bei mir sein kannst
Nicht nur, wenn wir die Augen schließen
Nicht nur, im schönen innigen Moment.
|
Dein
Lachen
In
der Dämmerung spüre ich nach dir,
muss dich finden, muss dich sehen.
Wann
bist du wieder so nah - nur bei mir,
dass wir dem Dämmern entgehen.
Dann sehe ich dein helles freudiges Lachen,
das Schwinden des Dämmern.
Dein Lächeln fruchtet so viele Seelenbrachen,
hilf, dies zu verlängern.
Da ist sie - Vertrautheit
gibt der Seele ein Ziel,
raubt ihr meine Rauheit,
eröffnet mir so viel.
Fühl ich dann allein wieder diese Schmerzen,
werde ich dein Lachen nehmen
als Balsam für die Höhle meines Herzen
und anderswo nach Lachen flehen.
|
Roter
Sonnentanz
Regen
regte den langroten Abendsonnenersatz
zum Fragenreigen
versöhnlich lächelnd,
-
fast so offen
wie ihre sanfte Schulterlandschaft
-
Fantasieaugen einladend zur dunkelrot
verhüllten absichtsvollen Gedankenberührung
treffen
sich im innen gut versteckten Zweifel am Gegenüber
entdecken brillierende Farben,
mit denen sie ihre Hoffnung vermalen
zwischen Arbeit und Leben,
suchen sie im Tanz das gemeinsame Rot daneben
|
Verzehren
Ich konnte mich nicht erwehren,
dir was zu geben, zum Verzehren
Jetzt, in die Ferne lenkend,
haben wir was – gerne denkend
|
Alte
Liebe
Zeit –
viel Zeit – viel Vergangenheit.
Jahrzehnte - gefiltert durch den Blick von heute
Alles Geschichte und Geschichten,
gesammelt, ohne Ordnung, ohne Plan,
und doch genau so, wie Tausend andere.
Geschichten, anfangs vom Du
und Ich,
dann vom dem Wir ,
später Geschichten von
Euch, von Ihnen,
in denen wir unser Du und Ich verloren haben.
Jeder Glückfall wirft uns zurück
Zurück in das Du und Ich
zurück in dem Augenblick
wo die Zukunft nicht wichtig war
Zeit – viel Zeit - zuviel
Vergangenheit
Erklommen wie einen Berg
Hoch – höher - bis die Luft zu dünn.
Zu dünn zum Denken.
Zu dünn zum Träumen.
Wieder die Geschichten, jetzt vom
Ich und Du
Auf der Suche nach meinem – du nach deinem ICH
Ob wir uns suchend wieder begegnen?
Gehörst DU zu meinem sprachlosen ICH?
Auf stummer ängstlicher Suche,
nach Luft zum Atmen, ohne dir die Luft zu nehmen,
nach Liebe zum Leben, ohne dir die Liebe zu nehmen!
Zeit – zu wenig Zeit.
Zu wenig Liebe für eine Zukunft?
|
ICH
DICH
Ich fasse dich an
Ich
fühle dich
Ich rühre dich an
Ich spüre dich
Ich sehe dich an
Ich ahne dich
Ich rege dich an
Ich rieche dich
Ich spreche dich an
Ich höre dich
Ich mache dich an
Ich schmecke dich
Ich liebe dich an
Ich
liebe dich
Ich
an Dich
Ich denke dir nach
Du
zu mir!
|
Du
mich!
Ich
lüge dich an
Ich quäle dich
Ich stinke dich an
Ich ärgere dich
Ich sauge dich an
Ich leere dich
Ich kotze dich an
Ich breche dich
Ich steche dich an
Ich löchere dich
Ich ätze dich an
Ich verbrenne dich
Ich leide dich an
Ich schmerze dich
Ich ekele dich an
Ich hasse dich!
Du mich auch
Ich denke dich weg
Du
von mir |
Gebogenes
Denken
Beim
Drübernachdenken, wie wackelig, unsicher, düster und gefährlich
verzweifelnd dein Pfad über dem Abgrund ist
- entdecke ich –
dass ich nachts im wackligen alten Flugzeug sitze,
unter mir Zehntausend Meter eiskalte Luft,
tausend Meter tiefes schwarzes Wasser!
Und jetzt?
Meine Gedanken
an die sichere Landung am nächsten Tag,
an dein Abholen,
biegen mein Denken
wieder in horizontaler Richtung.
Wo ist der Sonnenaufgang?
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Verlorener
Abschied
Schweigend, der frühe Weg zum Bahnhof,
der erste richtige Herbsttag.
Halten uns fest an Worten,
was noch zu tun... was noch
zu machen ist.
Es ist alles gesagt.
Das Verstehen verloren.
Die Herbstsonne löst den Dunst,
wir die enge Vertrautheit.
Macht den Abschied leichter.
Ruhige Höflichkeit mit Distanz,
freundliche Hilfsbereitschaft ohne Nähe.
Überwinden
die Verspätungsminuten.
Den anderen nicht halten, nicht lieben können
wird zur Gewissheit,
die ertragen werden muss.
Der Zug ist da,
gibt den Takt für den Abschied.
Verloren gehen wir unserer Wege
und finden dort die Frage,
wann der Abschied begann.
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