Cafe Amsterdam MD

Hier bin ich - nie allein.
Die kleinen quadratischen Tische,
in warmes gelbes Licht gestellt,
es fängt sich in den frischen Perlen am Rand des französischen langstielig, aber trotzdem bauchigen Landweinglases.
Der Salzstreuer dagegen wie ein verlorenes kleines Haus zwischen Wolkenkratzer.
Abschätzende Bliche, beobachte ich, selbst abschätzend.
Einen Moment stand mit der Musikpause alles still, kommt aber wieder in Fluss mit der singenden Musik.
Das zweite Glas französischen Landweines macht mich unabhängiger im Alleine sein, gelassener, trotzdem fehlt hier die Amsterdamer Gemütlichkeit, das holländische Chaos, das ich ja zum Glück noch ein bisschen in meinen holländischen Genen trage - aber nützt das?
Am Nebentisch, oder genauer gesagt, an den beiden nebenan zusammengestellten quadratischen Tischen, bewegt sich die Gesprächsblase zwischen den 7, Studentenalterwirkenden nebeneinander sitzenden 3 Frauen und 4 Männer wabernd hin und her, teilen sich manchmal an den Ecken, um sich dann wieder zusammen zu schließen.
Der zweite Wein hat innen nur noch wie Regentropfen wirkende Weinspuren, die ich nun auch in mir spüre. Das Licht in den Tropfen, wirkt jetzt klar und weiß.
Zeit, die Abrechnung zu fordern - oder soll ich noch bleiben?

 

 

 

Morgennebel

windstille Sonnenstrahlen
zwischen  kahlen Bäumen
lösen strichweise Dunst
in den Zwischenräumen
entscheiden sich
zögernd
die noch schattenkalten Nebelfetzen,
diesen Raum zufüllen.
Geben sich so der Morgensonne hin

 

 

 

 

Bildbeschreibungen

I.
Tannenbaum-Regenbogenquelle
Wassertröpfchen freuen sich in allen Farben,
dass sie nicht in das dunkle Rohr fallen.
Glastürme gieren nach nassem Licht
versichern, auch Quelle sein zu wollen.
II.
Krümmerfallrohrschatten
Regenbogenaufwärtslicht
Tannenwipfelspitzen
Glaspalastfrontstrahlen
III.
Regenbogen saugt - das Licht:
Schwarz aus dem Glasturm,
Weiß aus dem Rohr,
mit dem Lichthalm
Magenta aus der Tanne.
Biegt sich erregend
in die Augen,
in den Kopf,
in die Freude,
in das Herz,
berührt Seele,
ihre Seele.
Steigt auf als Lichtblase,
durchströmt langsam ihren Körper,
erzeugt stilles Lächeln,
strahlt wieder aus:
Weißes Licht
Schwarzes Licht
Grünes Licht
Ich sauge - ihr Licht:
Schwarze - aus Ihrer Seele,
Weiß  - von Ihrer Haut,
Grün -
Wo ist Grün?
Ihre Antwort: „In meinen Augen!“  

 

Sommerlaub in Münster

Der Uhrzeiger gibt meiner Richtung Sinn
Gesprächsfetzen beim Promenaden-Fahrradüberholmanöver:
... und der hat 4 Gigabyte und Wasserkühlung!
Und was machs´te mit dem Alten?
Behalten - geh ich auf LAN …
erinnern mich
Lindenblütenlaub – riecht nach Heu
trockener Knister-Raschel-Flecken-Teppich
heufarben,
waffelhellbraun-gelbes,
frisches Sommerlaub
Verwoben
mit vom Blätterdach zugedachten Sonnenlichtflecken
mit ihrem frischen Vormittagsleuchten
Das Licht,
setzt sich vom Schatten ab,
verweilt hell hier und da
unruhig auf den Lindenblütenlaubhäufchen
Atme tief dieses Blinzeln ein
mische in mir
Luft
Licht
Laub
Gelb
Heugeruch
Zeit
Blicke
Sommer!                                                                                                                           

 

 

Vollmond versickert

Vollmond,
versickert sein Licht durch die Wolken
Licht der Stadt - hält dagegen
gebären so lautlos eine Lichtwolke.
Der  Himmel vergisst sein Schwarz - aber auch seine Sterne
Vollmondlicht sickert durch die Wolken
Stadtlicht steigt wirbelnd auf
Gebären eine Lichtwolke
Vergiss das Schwarz der Sterne
Mondlicht von oben
unten die Stadt
Lichtwolke dazwischen
keine Sterne
Sterne
Mond
Wolke
Stadt
wo
bin
ich
versickert
?
 

 

PDA-Lyrik. (PDA = persönlicher digitaler Assistent)

Jetzt  muss ich reduzieren,
kann nicht mehr kombinieren,
muss auch noch deutlich schreiben!
Lass ich´s mit dem Dichten lieber bleiben?
Kurz und bündig ist ja auch nicht schlecht,
so ist die Lyrik PDA-gerecht.
Nach nur zwei Strophen mit kurzen acht Zeilen:
Display voll der Poet kann sacht verweilen.
Doch reizt es mich weiter, digital,
zu schreiben, heiter? Mir egal!
Selbst ein kleines Gedicht für wahr,
kommt mir in den PDA!

  

 

 

Vaterlachen in der Pizzeria

Das Lachen
vom Vater
von oben herab
zur kleinen Tochter
ist nicht
wie von oben herab
Das Lachen versinkt
ohne Forderung
in ihr
nach Dank
reflektiert Liebe
Der
Kellner kassiert zweimal versehenllich
Peinlich

 

 

 

Traumfänger der Großstadt

Der Fluss, der Strom, wird von einer handvoll Brücken gequert. Zusätzlich auch von zwei Fußgängerhängebrücken, an denen der Mensch die verrinnende Zeit durch den nahen Vorbeistrom  des Wassers besonders spürt.
Einer dieser beiden Brücken liegt flussabwärts, nördlich der Stadt, an einer Park- und Hotelanlage, die zeitlos wirkt. Als wenn die Zeit stehen geblieben ist, sich verfangen hat, zwischen den hohen, mächtigen Bäume. Gründer-, Nazi-, DDR- und Wendezeit, alles ging hier den Bach, oder besser den Strom, runter.
Genau an dieser Grenzlinie, zwischen Stadt und Land, zwischen Wasser und Ufer, Vergangenheit und Zukunft,  die Fußgängerhängebrücke. – Als Aufforderung für das erforderliche persönliche Bemühen, diese Grenzlinie zu begehen, sie zu bedenken.
Diesmal komme ich wintertagsabends, laufend aus der Stadt. Und wenn man erstmal dabei ist - gerne Kilometer fressend – reichere ich sie doch gerne  mit einem Schuss Fußgängerhängebrückeninspiration  an. Die dunkle Brücke, abseits der Stadt, ist mein Ziel, das mich magisch anzieht.
Auf dem Weg dahin, öffne ich mich auf das unbekannte der Brücke,  aufmerksam und wach durch die lange laternenbestückte Allee, die immer breiter, parkähnlicher wird. Bei leichten Nieselregen erreiche ich vor dem Hotel eine angenehm angeschwitzte Körperwärme, dann am Blumenkreisel links ab, lasse im Hotelleuchten meinen sichtbarem Atemdampf zurück, in das  zeitlose Dunkel. Zeitlos, weil es immer wieder kommt, unterbrochen nur vom Tag, bis die längste Nacht  für mich kommt.
Sehe anfangs nur die Rampe, eine Art Vorbrücke, die Beleuchtung ist ausgeschaltet oder kaputt, als wenn extra für mich ausgeschaltet. Die Augen gewöhnen sich an das Fastdunkel, jetzt wird der erste Pylon erkennbar  und der leicht geschwungene  und zugleich gewölbte Rechtsbogen der Brücke, dann der gegenüberliegende Pylone und die Hängeseile. - Eine große Fußgängerhängebrücke, hohe schräge Pylone, wie alte Flusskräne auf den einen Seite abgespannt, auf der anderen Seite die Last der Brücke tragend sich über den Brückenweg beugen. Tun so, als wäre es einfach und easy, aber man spürt doch die ungeheure Spannung in den Seilen, ihren stählernen Muskeln, für die es keine Spielerei ist.
Ich renne über die Brücke, nach der Vorbrücke dann die eigentliche Flussquerung, von Ost nach West. Zur linken Seite, der dunkle, leicht diesige Himmel schimmert heliumgelblich vom Licht der einige Kilometer entfernten Großstadt, rechts greift der Blick nur ein kurzes Stück, bleibt stecken im dunklen Grau-Schwarz, wo der Strom und Dunkel alleine verschmelzen. Hier ist der Einfluss der Stadt vorbei, nur von vorne, schräg rechts über den Fluss hinweg ist ein schweres Summen, ein Vibrieren in der Luft zu spüren. Dort müssen  gewaltigen Maschinen in einem  Industriegebiet ihren Energiehunger stillen.
Überhole ein Pärchen auf der Brücke, bin nicht ganz alleine. Auf der Mitte der Brücke senken sich die dicken, den Pylonspitzen verbindenden  Halteseile zu mir herab, durch die geschwungene gewölbte Brückenkurve sind die starken Seile nicht exakt symmetrisch sondern werden etwas aus der Richtung gezogen. Die vielen, dünneren senkrechten Seile im Fastdunkel, scheinbar Niesel-Nebeltropfen in den Seilen sammeln, wie in einem übergroßen Spinnennetz, das sich riesig, im Dunkeln rechts und links nach oben schwingend aufspannt. Es erinnertmich an die kinderberuhigenden Traümfänger, die wie Fliegen im Spinnennetz hier die bösen Träume der Großstadt fangen.  Ängste, Trauer, Krankheit und vieles Unglück sich in dem Fußgängerhängebrückentraumfängernetz verfängt, und sich dort in dunstigen Nebelschwaden in nichts auflöst. Der Fluss, die Zeit kann wieder unbelastet weiterströmen. Unter der Brücke hindurch, als sei diese Öffnung extra dafür gedacht, strömen die guten Gedanken, die Hoffnung, Freude und Liebe. Sie sind heute zu Eisplacken geworden, die als weiße Tupfer auf schwarzen Grund in einem unregelmäßigen Muster zügig dem Fluss herab schwimmend, dem Wasser die Unheimlichkeit nehmen..
Die runden, meist gleichgroßen ovalen Eisplatten, die mit ihren wulstigen Rändern an krossgebratene Pannekuchen erinnern – ich meine fast, den typischen öligen Bratgeruch in der Nase zu haben, weis ich doch, das sie kalt und nass sind.
Ich drehe um, vergewissere mich, dass der Traumfänger bereit ist für meine Träume, trabe in die Stadt zurück mit dem festen Vorsatz, dem Fluss, dem Strom noch heute Nacht  etwas mit auf dem Weg zugeben. Entscheide mich für einen schönen großen. krossgebratenen Eisplackenpfannekuchen, der unter dem Traumfänger ölig hindurchflutscht.
Soll er doch anderen, schwer im Magen liegen.

 

 

Autobahn  - Fahrbericht aus der Heimat meiner Assoziationen

Oder: Ich-Beobachtung in der Hamstermühle

Sprechanweisungen:

Rythmisch, monoton, anfangs im Sekundentakt, wobei der Sekundentakt durch eine neue Zeile oder durch ein „ / “ . Wenn die Zeilenabstände sich ändern ändert sich die Taktdauer (Hinweis in „dieser Schrift“ , Hinweis aber nicht mitlesen). Der Anfang mit „Leitpfahl“ kann je nach Situation verlängert werden. Eine Taktpause wird durch nur ein / in einer Zeile angegeben. Der langsame Teil sollte ungefähr half so schnell sein wie der Rhythmus am Anfang (bis zum Blitzer), „am Ende der Baustelle“ noch viel schneller als am Anfang

Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
A9
Leitpfahl
Leitpfahl
Weiße / Elster
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Der / Parallel / fahrbahn / folgen
Leitpfahl
Leitpfahl
Bake
Schkeulitzer / Kreuz
A / 14
Leitpfahl
U / einund / neunzig
Bake
Schmitz / Cargobull
/
Ulli
Leitpfahl
Leitpfahl
C – / AD / Piep  /  Piep
/
Daten / schutz
alter / gelber / Fiesta
/
Frauen / auto
100
achtund / neunzig / Komma / 2
400 / Meter
Bake
Ejido / Fred /– Kühl / laster
Kein / Notruf / auf 12 / km
Baustellen Bake
Baustellen Bake
Baustellen Bake
80
Baustellen Bake
60
Baustellen Bake
Baustellen Bake
Baustellen Bake
Blitz
Scheiße
Baustellen Bake
... langsamer werden !!!!                   
Baustellen Bake
Baustellen Bake
Baustellenbake
Baustellen / Bake
langsameres Tempo beibehalten !!!      
Baustellen / Bake
Behelfs / ausfahrt
Ausfahrt / 19
Baustellen/ bake
Rindenmulch / hügelkegel / spitzen
Rindenmulch / kegelhügel / spitzen
Baustellen / bake
spitze / Rindenmulch / hügelkegel
keglige / spitze / Baumhäxel /  kegelhügel
Hunderte
Wie / riesige / Maulwurfs / hügel
manns / hoch
Für ein / Naturstreifen / schutzwall
/
Hermanns / gelbe / lockere / weiche / Maulwurfs / hügel / erde
Baustellen / bake
Fliesen / Heidbrink
Gerken / vermietet / Arbeits / bühnen
/
Bühnen / für die / Arbeit
Erster / Mai
Baustellen / bake
60 / – verengte / Spur
Spur / wechsel
kein / Notruf / auf 5 / km
/
Johanna
Hannover / zweihundert  / achtund / dreißig / km
/
die Jungs
Baustellen / bake
Händel / haus /  Halle
Tausend / Zweihundert  / Jahre / Halle
/
Magde / burg
Ende / der / Baustelle
Schneller werden!!!                               
Leit / pfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl
Leitpfahl Leitpfahl
Schneller und lauter werden!!!   
Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl
Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl
Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl
Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl Leitpfahl
Kleine Pause
Laut und scharf artikuliert :          
Brückenpfeiler!

 

 

Amerikanisches Doppelfrühstück

Frühstück in Wood Dale
Freitag         
Hotelrestaurant,
"turn, turn, turn ... von den Birds aus den Lautsprechern erinnert mich daran, dass Sperlinge auch Vögel sind, wie Spatzen, wie Raben.
"Lets dance" turnt es jetzt.
Hinter meinem Hotelzimmer heute Morgen eine Herde großer brauner Gänse - anscheinend wild - fliegen wahrscheinlich nur niedrig, hier in Hörweite des Großflughafen, dessen dumpfes fernes Dröhnen nur manchmal das immerwährende Lüftungs- und Klimaanlagenrauschen überdeckt.
Brain Adams mit “Sommer of Sixtynine”.
Beim Rührei mit Speck erinnere ich mich an eine Kochsendung im Hotel-TV mit dem Tipp, mit etwas Zuckerspray vor dem Braten die stangenbrettartigen Speckstreifen schön crossig zu bekommen.
Die Beach Gees - die fehlten irgendwie noch – denke, als sie diesen Song aufnahmen, Zuckerspray nur für ihre Songs kannten.
American Hotel Life fragt mit "Help, Help Help, ..." der Beatles was echt, was neu, was anders ist.
Hier, dort, bei mir.
Entdecke ich doch einfach neues auf dem dritten Chicago-Blick,
The sky is the Limit!
Wood Dale
Hotel
Samstag
Frühstück
Der Speck, heut welliger und nicht so braun verbrutzelt, schmeckt besser.
Die Musik, mit "Bulle, Bulle", "Jonny be good", "Friday on my mind", verbrutzelt.
Die Bedienung, immer gleich, aber unamerikanisch nicht immer freundlich lächelnd. Vielleicht, weil sie oft 7 Tage die Woche arbeitet und ihr 17 jähriger Sohn zuhaus vom Computer nicht los kommt..
Variiere mein Frühstück: Fleischklops mit Ketchup schmeckt mir zu fragen, ob ich mich anpasse oder ändere.
Zur Weekendstimmung - die Business Poeple als Mitfrühstücker heute komplett gegen Familien und Citytouristen ausgetauscht - habe ich Tomatensaft probiert und gleich werde ich an der Theke eine Waffel backen und mit Ahornsirup den Frühstückskulturaustausch versüßend - vom Tomatensaft begleitend - verinnerlichen.
Verdaue meinen positiven Kulturschock aus dem „ Art Institut of Chicago“ - gehe wahrscheinlich heut noch mal hin - die Nähe zum Kontemplativen suchen. Van Goch, Picasso, O`Keeffe, Monet, Dali, Magritte, Tanguy, Matisse, Ernst, Miro , Reneau (weis nicht, wie er sich schreibt), Hopper, Chagall, Kandinski, Dix, .... tschüss sagen, aber auch den vielen nicht so bekannten,  vor allen auch die Fotografien - genial. Fordert zum auch "Denken" und dann auch zum "Tun".
Dieses Museum ist wie ein Aquarium in der umgebenden American World - man taucht ein und hält den Atem an.
Die Beatles mit "She's got a ticket to ride, But she don't care." lassen mich wieder auftauchen - bin jetzt fast allein im Hotel Restaurant - das Klimaanlagengeräusch wieder deutlich zu hören
- ich verzichte freiwillig auf die Waffe ... sorry ... Waffel ...
   

 

Cappuccino

Mit dem genüsslich Trinken - zulange gewartet:
Der zwischenzeitlich überraschend stark abgesackte Cappuccino zeigt kakauschmutzig fleckige Blasen, wie die gärend quellenden Eingeweide von Boeus  toten Hasen.
Ist das Kunst?
Ich hab nicht gestaltet,
nur liebevoll daran gedacht,
wir er es dem toten Hasen erklärt.
Danach begann das Gären.
Wie schreibt man eigentlich Bois?
Joseph Beuys!

   

 

 

 

 

Vergessen

Als ich in die Pizzaria ging
vergaß ich die Brille
Als ich aus der Pizzaria ging
vergaß ich die Schlüssel
Die Brille holte ich aus dem Auto
Das Schlüsselbund brachte mir der dicke, freundliche Kellner
Vergessen gelingt mir nicht
Nicht immer
Das weiß ich noch

 

 

 

 

 

Ich, der Fluss

Die Ufer brechend,
nicht mehr innehalten, nicht mehr aushalten könnend
– die drückende Flut.
Alles mitreißend – zerstörend.
Mich selbst in meinem stummen Bett aufwühlen, zerreißen.
Warum zerstören, alle Deiche, alle Grenzen, meine festen Bahnen?
Erschreckt die, die mich als frischen, lustigen, zustimmenden Bach kennen, obwohl sie mich durch manche Mühle gedrängt, dessen Räder mich zerhackt.
Mich jetzt hassend, die ich treu, nur mit leise murmelndem Widerspruch getragen, getränkt, geführt habe, so selbstverständlich mit ihnen geströmt.
Die, die über lange Wege mich für ihre abschätzigen Wasser missbraucht, jetzt entgeistert, verwundert sind, dass ich nicht alles schlucken kann.
Ich, der Fluss
Aufgestaut von tausend Dämmen,
gedrängt in geraden Deichen,
steile Wehre, gegen die ich nach ihrem Sinn geleitet, mich ohne Chance der Gegenwehr drücken lassen muss, um mich dann schicksalsergeben als herabstürzende Wasser bewundern zu lassen,
– grad so, als ob ich es mit Freude tu
– habe es ja oft selbst geglaubt.
Ich, der Fluss
Bewundert von vielen, solange schön, glatt, solange lieb, aber ja nicht zu schwach, nicht zu unnützlich.
Gewürdigt mit stolzen Blicken, auf schönen sonntagnachmittäglichen Bootspartien.
Aber nur solange herzeigbar, solange verführbar.
Doch zu viele Untiefen, zu viele Wirbel verderben schon die schön geplante Stimmung.
Aber wehe, wehe, ich werde meiner Last nicht frei, muss mehr und mehr, und immer noch mehr aufnehmen, was anders nicht abfließen kann, so dass überbordende Wasser, schmutzig schwarz mit allen in mir aufgenommenen, aufgedrängten, aufgewirbelten Ansammlungen, die noch so kunstvoll geschickt erdachten Deiche und Dämme nicht beachtend einreißen!
Die Fluten aus meiner Seite den Raum, das Land einnehmend, wo meine Last, meine Not, meine reißenden Glieder mir entfließen.
Ich, der Fluss
Hoffend auf diesen Raum. Spürend, dass ihn keiner mir schenkt, ich meine Ausdehnung nur schmerzend und jenseits erlange, mein Aus- und Ansehen einbüße. Das Neue nicht verstanden, von keinem gewünscht wird, aber vom drückenden Strom gefordert.
Nur die, die von fern, von sicherem trockenen Stand zusehen, haben es schon wieder, schon immer gewusst. Muss sie als Verbündete mit ihrem Wissen über meine Wasser hinnehmen, als könnten sie durch meine schwarzen Fluten blicken.
Kein Strömen ohne Druck, kein Ufer, das ich nicht mit meinen Wasseratem überschreite, um zu leben.
Mein Wasseratem! Komm diesem Atmen nicht zu nah ohne dass du meine schwarze Flut klarst!
Wer empfängt mich ohne Festhalten, ohne Stau in meinem neuen, ungemachten Bett?
Zerstörte und alte intakte Brücken hinter mir lassend – ohne Sinn!
Wer wird meinen Wasseratem achten?
Wie kann ich meine neuen Ufer weichen und sie angenehm umspülen?
Ich, der Fluss!
Meine Wasser, meine Flut unbändig lebendig strömend, halte sie kaum aus.
Bin nur Fluss, muss fließen, fließen, fließen!
Bin Fluss!

 

 

Du
da ist die Sonne
du
bist es nicht
das ist die Blume
du
bist es nicht
hier
ist der Weg
du
bist es nicht
doch
alles
bist du auch
Wärme
Duft
Weg

 

Geschenkt

„Geschenkt“, sagt sie zu ihm
„Vergisss es“, er zu Ihr
das Geschenk der Liebe vergessend
„Geschenkt“ sagt er zu ihr
„Okay“ sie zu ihm,
da war jenes wieder ihres
„Geschenkt“ sagt sie zu ihm
als ihr die Argumente fehlen
„Möchte ich nicht geschenkt haben“ die Antwort von ihm,
was er damit meinte?
„Man schenkt sich nichts“
sagt der Therapeut
es sei denn, der andere verdient es.
„Ich bin Geschenk“, sagt das Geschenk
„Nimm mich, oder nimm mich nicht“

 

 

 

 

 

 

Ich schnurre

Ich schnurre an deinem Nacken,
stöhne an diener Brust,
ich packe deine Backen,
geb Gas, hab sonne Lust.

 

 

 

 

 

Nachtschweißer am  Hassel

(Kurzform, beim Vorlesen die Überschrift nicht mit vorlesen)

Zwölf Uhr nachts, der wohlwollende Vollmond mag Nachtschwärmer.
Trockene Sommernacht – nicht zu kühl unter den Heizstrahlern der Straßenkneipe.
Der Vollmond mag auch Nachtschweißer.
Mitten auf der runden Verkehrsinsel vom Hasselbachplatz, wie eine Bühne für die umliegenden Kneipen, zwei Schweißer, die den im Boden liegenden Gleisen ihre ganze Aufmerksamkeit schenken.
Ich warte auf meine Straßenbahn und habe Zeit, mir dieses nächtliche Schauspiel anzusehen.
Ein seltsames Pärchen: Beide Männer hocken kauernd in ihren kniehohen orangefarbenen Behausungen. Vorgebeugt, die Schweißmaske in der linken, die Elektrode in der rechten Hand. Schweißen violett blitzend am Eisenstrang der Straßenbahnschiene und um sie herum kreist gelassen der Autoverkehr.
Sie lassen sich durch nichts ablenken von ihrer Aufgabe, dem Straßenbahngast am nächsten Tag nicht die Spur eines Risses, nicht mal ein leichtes Rucken, einen kurzen Stoß merken zu lassen.
Das starke, wieder aufblitzende Licht versucht an allen Ritzen und Spalten der kleinen Behausung in die Vollmondnacht auszubrechen. Weißer Qualm quellt auf, gibt so dem zuckenden elektrischen Feuerpunkt die Chance, sich allen strahlend zu zeigen.
Ritual der Lichtbogenmänner.
Ein Regisseur hätte es nicht besser ausdenken können.
Haben die  Schweißelektroden knisternd ihr Leben ausgefaucht, - ein kurzes Innehalten der Männer - langsames Aufrichten des Oberkörpers. Der Reststummel wird mit einer runden Ruckbewegung aus dem Handgelenk mit einem metallischen „Klack“ in den silbrig glänzenden Eimer entsorgt, die nächste Elektrode gezogen und eingespannt.
Wie Papppferde von Kindern, transportieren die Beiden nun ihre Behausungen, rechts und links an Griffen festhaltend. Jetzt sind auch die Beine der Männer unten sichtbar. Das Gehäuse schwankt und wippt leicht, weil es ohne Bodenhaftung an Stabilität verliert, wird aber zielsicher abgesetzt. Es wird sich wieder hin geduckt – dann: weiter schweißen.
Durch den zum Boden entstehenden Lichtblitzspalt wirkt ihre Behausung wie ein grad im Abheben begriffenes UFO.
Auf dem Nebengleis schleicht sich eine Spät-Straßenbahn an dieser surrealen Szene - vorsichtig tastend - vorbei.
Nach mehrmaligen Umsetzen ihrer Schweißbehausungen werden diese nun beiseite gestellt und durch eine draisinenartige Schleifmaschine ersetzt, mit der die wulstigen Schweißnähte an der Schienenoberfläche egalisiert und abrasiert werden, damit alles schön glatt, schön eben ist. Nicht der Hauch einer Unebenheit soll später zu spüren sein.
Das ist der Ehrgeiz dieser beiden Männer!
Zwischendurch betrachten sie ihr Arbeitsergebnis aus den verschiedensten Blickwinkeln, deuten auf eine Schienenstelle, nicken sich stumm zu.
Die Schleifmaschine wird bewegt: Vor, zurück - vor, zurück - immer wieder, röhrt dabei, manchmal ächzend untertourig, jetzt laut kreischend, erzeugt dabei ein Funkensprühen, das stärker, bald schwächer wird, wirft plötzlich einen lang gestreckten, bogenförmigen Funkenregen in die Nacht - wie eine riesige Wunderkerze.
Die Eisennarben sind nun durch Funkensprühen verarztet, die beiden Schweißer räumen wortkarg ihren LKW ein.
Am kommenden jungen Tag werden die Frühaufsteher in der MVB-Bahn nichts, überhaupt nichts von der blitzend funkensprühenden Arbeit der beiden Männer in den seltsamen Behausungen ahnen. Vielleicht werden einige der Fahrgäste wegen der Vollmondnacht nicht so gut geschlafen haben, legen dann etwas schläfrig ihren Körper wohlig in die Kurve auf dem Hasselbachplatz -  ohne Stoß - ohne Ruck .... ohne Denken.

 

Sommerabend

die letzten Sonnenstrahlen
überlassen der grünen Abendkühle
den kleinen Park
vor meinem Eisengitter
das wilde, hohe, struppige Gras
ahnt Taunässe
streckt sich danach
die Bäume warten
wie Wächter
auf die Nacht
tanken kühles Dunkel
ahnen Hitze
in der Schatten
die Kühle fordert

 

 

Über alles sprechen

In Ruhe über Unruhe
hungrig über Welfenspeisen
wohin mit dem Wolfe reisen
was beunruhigt meine Seelenruhe
Werd mein "Un" zur Ruhe bringen
hingeben, dem Geheimisraum
dort meine Seele beringen
mit meinem inneren Traum
Du kannst mich alles fragen
von dir kann ich`s ertragen
mich vor dir bespiegeln
mein Innerstes entriegeln
Werd dir davon erzählen
von den Kanten, von den Ecken
daraus für dich erwählen
anderes vor dir verstecken